Interview mit Guido van Helten
Guido van Helten (geboren 1986) ist ein australischer Künstler, der für seine gigantischen fotorealistischen Wandgemälde in der ganzen Welt bekannt ist. Er wuchs in Brisbane, Australien, auf und war schon als Jugendlicher als Graffiti-Künstler tätig. Er studierte Bildende Kunst an der Southern Cross University in Lismore. Heute lebt er in den Vereinigten Staaten, ist aber für seine Arbeit auf der ganzen Welt unterwegs. Seit vielen Jahren sind KEIM Farben sein bevorzugtes Material für seine Kunstwerke. Im Sommer 2023 realisierte er ein Wandbild in Pforzheim in Deutschland. Bei dieser Gelegenheit besuchte er auch unser Stammwerk in Diedorf und wir konnten mit ihm ein Interview führen.
Bildrechte: Guido van Helten
Website: https://guidovanhelten.com/
Instagram: @guidovanhelten
KEIM:
Guido, herzlich willkommen in Diedorf! Schön, dass du hier bist. Seit ein paar Jahren arbeitest du am liebsten mit KEIM Farben. Lass uns heute über deine Projekte sprechen, die du in der ganzen Welt durchführst. Welche Wirkung haben deine Bilder auf öffentliche Räume und Flächen?
Guido van Helten:
Danke, dass ich hier sein darf. Es freut mich wirklich riesig, dass ich das Produktionszentrum von KEIM Farben in Deutschland einmal live sehen kann. Ich arbeite nun schon seit mehr als zehn Jahren im Bereich der öffentlichen Kunst. Meine Art von Kunst braucht den öffentlichen Raum, um den Betrachter das bleibende Erbe spüren zu lassen. Ich verbringe viel Zeit mit Recherchen, um sicherzustellen, dass meine Projekte wirklich an einen Ort passen. Meine Gemälde sind großformatig, wirken wie Denkmäler und werden für eine lange Zeit dort stehen. Ich trage also die Verantwortung für die Qualität und den Inhalt meiner Wandgemälde. Ich versuche wirklich, über Aspekte der Zeitlosigkeit in der Kunst und auch über Qualität und Langlebigkeit nachzudenken. Ich versuche dabei immer, eine starke Beziehung zwischen dem Ort, an dem ich das Wandbild anbringe, und der Umgebung herzustellen. Ich versuche, die Bedeutung eines Gebäudes hervorzuheben. Dabei kann es sich um ein ehemaliges Bauwerk oder einen ehemaligen Industriestandort handeln, dem ich einen sozialen Wert für die Gemeinschaft verleihe. Ich verwende die Fotografie, um all die verschiedenen Aspekte zu erforschen, und dann finde ich das Thema, das die Menschen, die Gemeinschaft, die Geschichte, den Ort oder alles zusammen in einem gemalten endgültigen Kunstwerk ausdrücken soll.
KEIM:
Du gehst also herum und fotografierst die Menschen in der Region und die Umgebung - wie fällst du am Ende die Entscheidung, was du dann tatsächlich malst?
Guido van Helten:
Nun, das war schon immer der schwierigste Teil. Ich versuche, mit den Leuten vor Ort zu sprechen und so viel wie möglich zu recherchieren. Ich versuche, die Identitäten der Stadt, der Gemeinden oder der Themen herauszufinden und das Ganze in einem dokumentarischen Stil zu verpacken. Und dann ist die Malerei eine Konzentration dieser Erfahrung, dieses Ganzen.
KEIM:
Machst du vorher Skizzen auf einem Papier, bevor du sie an die Wand kopierst? Oder machst du das alles nur im Kopf?
Guido van Helten:
Nein, eigentlich nicht. Ich fotografiere und male dann direkt auf die Wand. Im Atelier mache ich eigentlich nicht viel, abgesehen von einigen Tests. Ich habe schon immer draußen an Wandbildern gearbeitet. Das war schon so, als ich 15 Jahre alt war.
KEIM:
Und wie reagieren deine Kunden, wenn du ihnen das sagst? Geben sie dir manchmal irgendwelche Einschränkungen?
Guido van Helten:
Für mich ist die kreative Freiheit sehr wichtig. Ich mache keine Aufträge, die vom Inhalt diktiert werden. Es ist ein Prozess, bei dem ich so viel wie möglich über einen Ort aufnehme, lerne und mir anhöre, um dann etwas zu schaffen, von dem ich weiß, dass es zu diesem Ort passt. Deswegen wählen mich meine Kunden auch aus und in diesen Prozess und meine Ideen haben sie dann auch Vertrauen.
KEIM:
Du hast schon viele beeindruckende Werke in der ganzen Welt durchgeführt. Gab es dabei ein besonderes Projekt mit einer besonderen Geschichte?
Guido van Helten:
Nun, ich würde sagen, alle, wirklich alle. Aber diese Wandmalereien in Amerika und vor allem im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten sind alle zu Wahrzeichen für diese Städte und Gemeinden geworden. Sie sind für mich fast wie Wegweiser, denn ich baue starke Beziehungen zu diesen Orten auf. Ich reise zurück und besuche meine alten Wandgemälde Jahre später und sehe meine Freunde wieder, und das sind alles, denke ich, Vermächtnisse für mich, aber auch für die Orte.
KEIM:
Du führst häufig Großprojekte durch. Wie fängst du an, was sind häufig die größten Herausforderungen?
Guido van Helten:
Es ist eine echte Hingabe an das angestrebte Endziel. Und ich verliere nie das Ziel aus den Augen. Wenn ich also ein großes Gebäude vor mir habe, ist es wie eine Reise bis zum Endprodukt. Ich lege großen Wert darauf, dass die Wandmalerei mit der Umgebung harmoniert, d. h. mit der Farbe der Wand, der Textur, dem Beton oder der Umgebung. Außerdem muss man auch immer die Lichtverhältnisse mit einbeziehen.
KEIM:
Bevor du mit einem Projekt startest, besuchst du das Land und den Ort und du versuchst, mit den Menschen vor Ort ins Gespräch zu kommen. Wie oft besuchst du einen Ort, bevor du final mit dem Projekt startest?
Guido van Helten:
Sehr oft. Ich weiß, wie man ein Wandbild ausführt, aber wichtiger ist die Geschichte oder das Thema dahinter. Ich verbringe vielleicht 50 % meiner Zeit mit Fotorecherche. Hier in Deutschland, in Pforzheim, war ich zum Beispiel im Februar in der Stadt, und habe drei Wochen damit verbracht, eine fotografische Geschichte zusammenzustellen. Und dann fange ich an, über das Wandgemälde nachzudenken. Die Welt der Wandmalerei ist im Moment sehr gesättigt mit sehr schnellen Aktionen. Den Leuten ist es egal, wie es in einem Jahr aussieht. Aber ich möchte, dass meine Kunstwerke mit Bedacht und Überlegung und mit einer Bedeutung dahinter ausgeführt werden.
KEIM:
Du arbeitest mittlerweile seit etwa fünf Jahren mit KEIM Mineralfarben und wir sind sehr stolz darauf. Was sind die Gründe, deine Projekte mit KEIM auszuführen? Wie bist du auf KEIM gestoßen?
Guido van Helten:
Ich bin aus mehreren Gründen auf KEIM Farben gestoßen. Erstens wegen der Qualität und Langlebigkeit. Ich kann mich darauf verlassen, dass meine sehr großflächigen Wandgemälde lange halten werden. An manchen Orten, an denen ich male, kann das Wetter wirklich extrem sein. Das reicht von sehr heiß in Australien bis zu minus 20 oder 30 Grad im nördlichen Mittleren Westen der USA. Ich habe Silos gesehen, die vor 50 Jahren weiß gestrichen worden waren. Und als ich ankam, war keine Farbe mehr da. Das liegt einfach an den Witterungsbedingungen in dieser Umgebung, an der Art und Weise, wie der Beton Wasser aufnimmt. Letztendlich lösen sich Acrylfarben ab. Ich verbringe also viel Zeit damit, den Leuten das zu erklären, denn ich möchte, dass meine Wandbilder auch in 50 Jahren noch da sind.
Mein ganzer Stil hat sich beim Malen auf Beton entwickelt. Und ich male auf Betonflächen auf eine Weise, die dem Malen mit Aquarellfarben sehr ähnlich ist. Ich trage Schichten auf, dünne Schichten, eine nach der anderen, manchmal zehn oder fünfzehn. Es ist unmöglich, sie zu zählen. Aber dieser Prozess gibt mir den Effekt, den ich mag. Ich habe vor etwa fünf Jahren angefangen, über KEIM Design-Lasur zu lesen. Davor habe ich immer Sprühfarben verwendet. Aber KEIM Farben sind anders: Sie enthalten keine künstlichen, sondern nur reine anorganische Pigmente. Diese Malmethode mit Pigmenten aus der Natur ist so alt wie die ersten Höhlenmalereien.
Historisch gesehen wurden alle Farben aus natürlichem Ocker und natürlichem rotem Oxid hergestellt. Dies ist auch in der alten australischen Kunst oder der Kunst der Ureinwohner zu finden. Es ist sinnvoll, etwas zu verwenden, das der Natur so nahe wie möglich kommt, wenn man draußen arbeitet, um sich der Umgebung anzupassen. Mein Wandbild am Wellington-Damm in Australien ist das beste Beispiel dafür. Man kann die Erde und die Felsen unter dieser Anlage sehen. Die Farben des Gesteins sind gelber Ocker und rotes Oxid. Westaustralien ist für seinen Mineralienreichtum bekannt. Das Wandbild fügt sich perfekt in die Umgebung ein, so sehr, dass man nicht erkennen kann, wo es anfängt und wo es aufhört.
KEIM:
Man sieht bei deinen Werken auch immer eine große Vielfalt an Kontrasten in verschiedenen Farbtönen. Wie machst du das?
Guido van Helten:
Im Grunde genommen arbeite ich wie ein traditioneller Öl- oder Aquarellmaler, aber in einem industriellen Maßstab. Ich verwende also das Bindemittel auf die gleiche Weise wie ein Ölmaler, aber ich arbeite in großem Maßstab mit Spritzpistolen und verschiedenen Geräten wie großen Pinseln, Schicht-, Lasur- oder Colorwash-Techniken mit vielleicht 10 % Farbpigmenten und dem Rest Bindemittel. Die verschiedenen Schichten ergeben eine bestimmte Textur und verstärken die Farbbrillanz. So hat man in der Renaissance gemalt, mit dem Unterschied, dass ich ein Produkt verwende, das für Gebäude und Architektur von heute gemacht ist. Die Lichtreflexion ist sehr speziell und auch das matte, samtartige Aussehen.
KEIM:
Dies sind die typischen Merkmale unserer KEIM Farben. Sie wirken sehr matt und natürlich.
Guido van Helten:
Ja, denn für mich sind glänzende und schimmernde Beschichtungen genau wie Plastik, nur vorübergehend und nicht umweltbewusst. Ich bekomme wirklich viele Kommentare zu meiner Arbeit. Sie sagen, dass sie einfach mit der Umgebung verschmilzt. Ich denke, das liegt an der Schichtung und dem sanften Auftragen der subtilen Farben. Außerdem enthalten KEIM Farben nur natürliche Pigmente. Das Gelb ist nicht neonartig, das sind Dinge, die man erst bei näherem Hinsehen bemerkt. Es ist nicht zu stark, aber die Umgebung mit dem wechselnden Licht des Tages erzeugt viele verschiedene Lichteffekte auf einem Gebäude. Deshalb ist es wichtig, auf die Qualität zu achten.
KEIM:
Ich weiß, dass dein nächstes Projekt in Italien stattfindet und du danach in die Vereinigten Staaten zurückkehrst. Was sind deine Pläne für die Zukunft?
Guido van Helten:
Ich beschränke mich auf Dinge, die mir wichtig sind, wie Projekte, die eine Bedeutung haben, und Geschichten, die eine gründliche Recherche erfordern. Sie inspirieren meine Fotografie, und die Geschichte inspiriert mich. Mein Bild, das ich kürzlich in Pforzheim gemalt habe, war ein sehr starkes, interessantes Projekt. Meine nächsten Projekte werden wieder groß angelegte monumentale Projekte sein, zum Beispiel der Hafen in Bari in Italien. Danach werde ich in North Dakota in einer kleinen Gemeinde arbeiten, um eine Reihe von groß angelegten Arbeiten in den Vereinigten Staaten fortzusetzen. Ich habe eine fast ununterbrochene Reihe von Wandmalereien auf Silostrukturen im Mittleren Westen von Texas bis Minnesota und auch in South Carolina und Tennessee geschaffen. Gleichzeitig habe ich andere kleinere Projekte in Europa oder Australien. Das hält mich auf Trab, aber meine Heimat ist in den Vereinigten Staaten.
KEIM:
Danke Guido, es hat uns viel Freude gemacht, mit dir dieses Interview zu führen! Wir freuen uns schon auf deine nächsten Projekte!
Guido van Helten:
Danke ebenso, ich bin sehr froh, dass ich es endlich mal geschafft habe, KEIM in Diedorf zu besuchen!