Schwimm- und Sonnenbad
Als konsequenter Bau des Neuen Bauens gehört das Panoramabad in Adelboden zu den schönsten alpinen Freibädern der Schweiz. Das seit 2009 im Bauinventar des Kantons Bern als schützenswert eingestufte Bauwerk erstrahlt nun wieder in seiner ursprünglichen farbigen Klarheit. Dem bunten Bad in den Bergen sieht man die damalige Aufbruchstimmung neu wieder an.
- Architekt:
- Daniel Büschlen, akkurat bauatelier
- Fotos:
- GSK
- Standort:
- Adelboden, Schweiz
- Produkte:
- Soldalit-ME
Das "kristalline Leuchte" als Ausdruck von Lebensfreude
Im alpinen Freibad in Adelboden kulminiert eine Reihe von historischen wie kunsthistorischen Entwicklungen des ausgehenden 19. Jahrhunderts und des damals noch jungen 20. Jahrhunderts: Die Modernisierung der Infrastruktur, die gesellschaftliche Aufbruchstimmung und neue baukünstlerische Schöpfungen. Im frühen 20. Jahrhundert ergänzten Schwimmbäder im Freien die touristische Infrastruktur von Hotels. Da in der Schweiz Kurorte mit Vorliebe in luftigen Höhen betrieben wurden, findet sich dort eine beachtliche Anzahl an Schwimmbädern. Ein neuer Körperkult um die Reformbewegung veränderte die Bedeutung von Badeanlagen. Schwimmen und Sonnenbaden wurden nicht mehr als rein therapeutische Tätigkeiten betrachtet, sondern dienten neu auch der Selbstentfaltung und Selbstpräsentation. Schweizweit reagierten ab 1925 Hoteliers mit dem Bau von Freibädern auf den Zeitgeist – so auch in der Tourismusdestination Adelboden.
Neue Lebensauffassung zeigt Architektur
Nach dem Ersten Weltkrieg waren Kurorte bestrebt, ihre Tourismusinfrastruktur zu erneuern, um die verlorenen Gäste aus dem In- und Ausland wiederzugewinnen. Dies führte zu einem Bauboom ab Mitte der 1920er Jahre im Bereich des Freibäderbaus. Das Neue Bauen war das prägende Gestaltungsmittel in der Architektur der Moderne. Die international breit abgestützte und vielfältige Bewegung strebte einen Neuanfang in der Architektur an. In erster Linie wollten die Vertreter des Neuen Bauens ihre Arbeiten nicht als neuen Baustil verstanden wissen, sondern als neue Lebensauffassung, die der sich etablierenden industriellen Gesellschaft angemessene Antworten lieferte. Zeigemässe Baukonstruktionen und Funktionstypen anstelle von historisierenden Stilen sollten von nun an für die Gestaltung der Bauwerke verantwortlich sein. Die Begriffe Konstruktion und Funktion sind zusammen mit Abstraktion mit dem Neuen Bauen verbunden. Die Suche nach Abstraktion war in der bildenden Kunst und in der Architektur charakteristisch für die Moderne. Dies galt auch für Freibäder, die ihre architektonische Ästhetik aus der Komposition elementarer Bausysteme zogen. Die Bauwerke wurden zur ursprünglichen Ingenieursform zurückgeführt – oder konkreter ausgedrückt: Die Moderne verlieh ihnen ihre technisch notwendige Form.
Ausdruck eines überzeugten Zukunftsglaubens
Das Bad zieht seinen Reiz aus dem Zusammenkommen bautechnischer Meisterschaft und mediterraner Ferienstimmung. In einem direkt am Becken angelegten Sandstrand sonnten sich die Gäste in angeblich originalem Mittelmeersand. Die dahinter aufgereihten Bauten waren mit kräftigen, original Keim’schen 2K-Reinmineralfarben gestrichen. Auf den Flachdächern wurde Wasser für das Schwimmbecken vorgewärmt. Der Sprungturm, der das Bad überragte, war Ausdruck der Virtuosität des Ingenieurs. Das Panoramabad in Adelboden zeigt auf eindrückliche Weise, wie Architektur und Natur zu einem einzigartigen Gesamten verschmelzen können. Das Bauwerk ist auf mehreren Ebenen – Setzung in Topografie, Materialwahl, Form und Farbe, Ausstattung – integral als ein Ganzes durchdacht und gestaltet. Der expressive Sprungturm als symbolische Überhöhung des Bads verdeutlicht die Symbiose zwischen Sport und neuer moderner Architektur. Die gestaltgebenden Elemente der Freibadanstalt wie Kabinentrakte, Schwimmbecken, Kinderbecken, Gastronomiebereich, Toiletten und Kasse sind gekonnt in die Topografie eingefügt. Der Pavillon markiert auf dem präzis aufgesetzten Kegel einen Kontrapunkt zur ausgedehnten, ebenen Sport- und Bewegungsfläche vor dem Schwimmbecken. Die Farbgebung der Aussen- und Innenwände sowie von Bauteilen wie Kabinentüren, Fensterprofilen und Wandbelägen sind erfrischend aufeinander abgestimmt, so wie es sich für ein aufstrebendes Lebensgefühl gebührte. Letztendlich wurde gestalterisch wenig dem Zufall überlassen, selbst die Möbel modernster Herstellungsweise hauchten dem Bauwerk den Geist des Neuen Bauens ein. Aus der Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und Ingenieur erwuchs ein Bauwerk, das die Bereiche Architektur, Ausstattung, Landschaftsgestaltung und Ingenieurtechnik zusammenschloss und in einem modernen Gesamtentwurf vereinte.
Das wiederbelebte Geheimnis des "kristallinen Leuchtens"
1919 propagierte der Deutsche Werkbund in seinem «Aufruf zum farbigen Bauen» die Farbe als «Ausdruck von Lebensfreude». Als Alternative zur traditionellen, eher blassen Kalktünche ermöglichte die Silikattechnik, die Ende des 19. Jahrhunderts von Adolf Wilhelm Keim (1851 bis 1913) für Mineralfarben entwickelt wurde, leuchtend bunte Fassadenanstriche. Farbuntersuchungen im Adelbodner Bad haben gezeigt, dass die originale, sehr bunte Farbigkeit unter der neueren Dispersionsfarbschicht erhalten ist und dass die originalen Mineralfarben dem Keim-Farbenblock von 1928 entsprechen, der heute wieder erhältlich ist. Beda Hefti ist also dem Aufruf des Deutschen Werkbunds bedingungslos nachgekommen, und es ist ihm gelungen, mit dem gezielten Einsatz der Farbe eine einzigartige Stimmung zu erzeugen. Damit die ursprüngliche Farbigkeit wieder zur Geltung kommt und die originalen Putz- und Betonflächen restauriert und aufgefrischt werden konnten, musste der mittlerweile unansehnlich blätternde Dispersionsanstrich früherer, unsachgemässer Farbsanierungen vollständig entfernt und die korrodierten Armierungseisen sachgemäss instandgesetzt werden. Endlich konnten allen Hochbauten die ursprüngliche Keim’sche Farbigkeit und der Ausdruck der damaligen Lebensfreude zurückgegeben werden.
Silikatfarbtechnik gestern und heute
Basis der von Adolf Wilhelm Keim um 1878 entwickelten Original-Mineralfarbe ist Quarz. Das Mineral wird zusammen mit Pottasche bei hohen Temperaturen zu Kaliwasserglas geschmolzen, dem Bindemittel der Silikatfarbe. Reine Silikatfarbe besteht aus den zwei Komponenten Pigment und Kaliwasserglas und benötigt einen mineralischen Untergrund. Beim Abbinden reagiert Kaliwasserglas chemisch mit dem Kalk des Untergrunds und mit den Pigmenten. Dies wird als Verkieselung bezeichnet. Die stabile Verbindung mit dem Untergrund macht den Mineralfarbanstrich ausserordentlich dauerhaft und lichtbeständig. Die direkte Lichtreflexion auf den Pigmenten lässt die Farben brillant wirken und verleiht ihnen das sogenannte kristalline Leuchten.
Instandgesetzt, umgebaut und wiederbelebt gehört das «Srandband von Adelboden» zu den schönsten alpinen Freibädern der Schweiz. Das Baudenkmal ist Ausdruck der Themen der 1930er Jahre mit Freizeit, Bewegung, Vergnügen und Genuss. Es ist gelungen, mit der Sanierung diesen ursprünglichen Geist, die klare architektonische Haltung und die Stimmung des modernen Freibads wiederzubeleben. Durch die wiedererlangte Klarheit des ursprünglichen Entwurfs repräsentiert dieser Zeuge der schweizerischen Moderne keine unsorgfältige Beliebigkeit, sondern einen sensiblen Umgang mit dem Baudenkmal. Gerade angesichts der in alpinen Tourismusregionen mehr und mehr dominierenden massstabslosen Neubauten – Chalets, die einem Alpenstil in groteskter Weise nacheifern – ist eine Besinnung auf die gestalterische Sensibilität und Eigenständigkeit der Moderne angezeigt.